Massive Budgetkürzungen der Jobcenter führen zur Zerschlagung der Angebote für erwerbslose Menschen

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In der Planung des Bundeshaushaltes sind massive Mittelkürzungen des Bundes bei der Arbeitsmarktförderung vorgesehen. Die geplante Kürzung von 550 Millionen im Bund für das Jahr 2024 bedeutet in Frankfurt am Main eine geschätzte Kürzung von 15,9 Mio. Euro verbunden mit einer Ankündigung weiterer Kürzungen in 2025.Sollte diese Kürzung realisiert werden, wird dies dramatische Auswirkungen in den Regionen haben.

Vor weniger als einem Jahr war es politischer Wille, mit der tiefgreifenden Reform des SGB II in Form des Bürgergeldgesetzes die Grundsicherung und die Integration der Menschen in Arbeit grundlegend zu verbessern. Die Umsetzung des Bürgergeldes mit den eröffneten neuen Instrumenten, wie z.B. dem Coaching; der Modifizierung des Förderinstruments Grundkompetenzen und einem stärkeren Fokus auf der Sprachförderung war eine gute und wichtige Entscheidung.

Die geplanten Kürzungen stehen den Leitgedanken des Bürgergeldgesetzes, Qualifizierung und Berufsausbildung stärker in den Fokus zu rücken, um die Arbeitsmarktchancen der Menschen nachhaltig zu verbessern, völlig entgegen. Die dafür notwendigen Eingliederungsmittel werden nicht mehr vorhanden sein. Betroffen sind insbesondere die Personen mit einem besonderen Förderbedarf. Auch der Gewinnung von Fachkräften steht diese Entwicklung deutlich entgegen. Es ist ein sozialpolitischer Sprengstoff, der zu weiteren Radikalisierungen führt und zur Steilvorlage für rechte Stimmenfänger*innen wird.

Die gestiegenen Kosten im Verwaltungsbereich (Personalkosten, Dienstleistungen, Energie) haben in den Jobcentern zu einer erhöhten Umschichtung aus dem Eingliederungshaushalt in den Verwaltungshaushalt geführt. Einsparungen scheinen auch hier nicht kurzfristig umsetzbar zu sein.

Für Maßnahmen der Arbeitsmarktförderung stehen damit bei der Umsetzung der Einsparungen kaum noch Gelder zur Verfügung. Die Handlungsspielräume sind dramatisch eingeschränkt.

Am Beispiel der Stadt Frankfurt am Main bedeutet die aktuelle Planung konkret:

  • Wegfall von 3 Aktivcentern mit insgesamt 320 Plätzen
  • Reduzierung von Arbeitsgelegenheiten von 470 auf 200 Plätze
  • Reduzierung von Angeboten im Bereich FbW von 1.080 auf 400 Plätze
  • Reduzierung von Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheinen von 1.200 auf 200 Plätze
  • Förderung von Arbeitsplätzen nach §16i SGB II – maximal 20 Plätze
  • Aufgrund der Haushaltslage keine Umsetzung der ganzheitlichen Betreuung von Menschen (§16k – SGB II)
  • Fördermittel des Landes und des ESF können in größerem Umfang nicht abgerufen werden, da die Jobcenter keine Ko-Finanzierung gewährleisten können. Diese Entscheidung betrifft auch zahlreiche Jugendliche und junge Erwachsene mit Förderbedarf.

 

Extrem betroffen von diesen Kürzungen sind die Bildungseinrichtungen. Wir stehen ohnehin vor erheblichen Herausforderungen aufgrund der stark gestiegenen Energiekosten, der Inflation und insbesondere der Personalkosten infolge von Gehaltsanpassungen. Allein für die Fortführung der laufenden Maßnahmen benötigen wir dringend zusätzliche finanzielle Mittel. Stattdessen werden die Mittel gekürzt.

Mehrere Bildungs- und Arbeitsmarktdienstleistungsunternehmen in unserer Stadt sind bereits jetzt existenziell bedroht. Gebraucht werden aber die Expertise und das vielfältige Angebot der Einrichtungen. Strukturen die jetzt zerschlagen werden, lassen sich nur sehr schwer wiederaufbauen.

Ob es im kommenden Jahr gelingen wird, das Bürgergeld im Sinne der Betroffenen erfolgreich umzusetzen, hängt entscheidend von der Haushaltssituation der Jobcenter ab.

Die aktuell geplante Finanzausstattung ist faktisch ein finanzieller „Kahlschlag“ für die Jobcenter und damit für die von Erwerbslosigkeit betroffenen Menschen im ganzen Bundesgebiet.

Auch die Stadt Frankfurt sieht sich in Folge mit steigenden Kosten und dem Verlust kommunaler Einnahmen konfrontiert. Welche Kosten die Einsparungen des Bundes an anderer Stelle für Frankfurt produzieren werden (z.B. für Beratung und Betreuung oder gesundheitliche Langzeitfolgen), ist noch nicht abschätzbar. Sicher ist jedoch, dass die Kommunen dies nicht kompensieren können.

Die Kürzungen gehen zu Lasten derer, die es in unserer Gesellschaft am Nötigsten brauchen. Ein Teufelskreis wird in Gang gesetzt, die soziale Ungleichheit und die ohnehin prekäre Lebenssituation der Betroffenen verschärft.

Gänzlich unvereinbar ist diese Entwicklung auch mit den Zielen der Agenda 2030 der Vereinten Nationen. Die Nationalstaaten haben im Jahr 2015 17 Ziele vereinbart (www.17ziele.de), die u.a. die Bekämpfung von Armut (Ziel 1), die Gewährleistung einer hochwertigen Bildung (Ziel 4) und weniger Ungleichheiten (Ziel 10) anstreben. Mit dem aktuellen Kürzungsszenario wird eindeutig gegen diese Zielstellung verstoßen.

 

Barbara Wagner, 26.10.2023